Nach unseren ersten beiden Söhnen (damals 2 und 4 Jahre alt) sollte ein drittes Kind unsere Familie erweitern. Wider allen Berechnungen hat sich dieses um einige Monate zu früh bei uns angekündigt. Die Freude auf das neue Familienmitglied war aber damit keinesfalls getrübt. Es hatte vielmehr den Anschein, also wolle jemand einfach zu uns dazu kommen, ganz nach eigenem Plan.
Familie Pimann weiss seit der Geburt ihres jüngsten Sohnes: Er hat einen eigenen Kopf!
Purzelbäume im Bauch
Die Schwangerschaft verlief ohne nennenswerte Ereignisse. Der Bauch wuchs, die Bewegungen des Kindes wurden zunehmend kräftiger. Alles in allem – ganz normal. Einige Male bemerkte meine Frau, dass sich das kleine Zwerglein in ihr gut mit seinen Brüdern versteht, da es sich immer wieder an den Aktivitäten rund um den Bauch durch Purzelbäume im Bauch beteiligte.
Die Geburt rückte näher. In den frühen Morgenstunden des errechneten Geburtstermins stellten sich die ersten Wehen bei meiner Frau ein und so wurde die zuvor gut geplante Kinderbetreuung in Gang gesetzt. Opa und Oma holten die kleinen Männer zu einem Tagesausflug ab, damit zuhause in aller Ruhe der neue Erdenbürger per Hausgeburt erwartet werden konnte. Die Kinder waren gut aus dem Haus, als sich die Wehentätigkeit bei meiner Frau eingestellt hat. Nichts tat sich mehr. Der Vormittag verlief mit einem kurzen Besuch der Hausgeburtshebamme und Film ansehen sehr ruhig. Ein ausgedehntes Mittagsschläfchen schlug die Brücke zum Nachmittag, der genau so ruhig und relaxt weiter verlief wie der Vormittag. Zur Zeit des Abendessens meldeten sich die Großeltern und wollten die Lage abklären. Nach dem Telefonat, in dem die Rückkehr der beiden Söhne vereinbart wurde, haben die Wehen wieder eingesetzt. In der kurzen Zeit zwischen Ankündigung und wirklicher Rückkehr der Kinder haben meine Frau und ich noch gemeinsam gekocht.
Der Schwiegervater fuhr nach Hause und die Schwiegermutter ist bei uns geblieben. Ihrem Vater hat meine Frau noch aufgetragen, dass er sich in der Nacht zur Unterstützung bereithalten sollte. Beim gemeinsamen Abendessen wurde meine Frau zunehmend unruhiger, aber sie hat gemeint, dass es sicher noch dauern wird und sie den schönen sommerlichen Abend bei einem Familienspaziergang ausklingen lassen möchte. So machten wir noch eine Runde um die Siedlung.
Kaum wieder zu Hause, war es an der Zeit die beiden Söhne ins Bett zu begleiten. Die Wehentätigkeit meiner Frau wurde aktiver und merklich anstrengender für sie. Dadurch hat der ältere Sohn bereits mitbekommen, dass sich etwas anbahnt und wollte nicht ins Bett gehen. So habe ich mich um diesen angenommen und meine Frau hat nach einem kurzen Telefonat mit der Hebamme den bis dato jüngsten Sohn ins Bett gebracht.
Es kommt!
Die Hebamme sollte in etwa 40 Minuten bei uns ankommen und der Schwiegervater wurde auf eben dieselbe Zeit bestellt. Meine Frau war etwa fünf Minuten mit dem Kleinsten verschwunden und ich beschäftigte mich mit den Fragen meines Ältesten zum bevorstehenden Ereignis, als ein Schrei meiner Frau mich an schon zwei Mal erlebte Situationen erinnerte. Es war ein tiefer, gepresster und doch kräftiger Ausruf „Es kommt!“. Im Laufschritt lief ich zum Schlafzimmer, gefolgt von meinem Sohn. Hitzewallungen und Kälteschauer überzogen meine Haut, mein Magen fühlte sich nach Waschmaschinenschleudergang an und meine Hände glichen eher denen eines alten Mannes mit Alterszittern als einem jungen, werdenden Vater. Meine Gedanken waren wirr und konnten nicht zu Ende gedacht werden.
Meine Frau, die Ruhe in Person, forderte mich auf, den neben ihr schlafenden, gerade noch immer jüngsten Sohn, zu entfernen, da sie sich nicht mehr bewegen konnte. So packte ich den gerade Eingeschlafenen und drückte ihn meiner Schwiegermutter mit den Worten „Ins Kinderzimmer mit euch“ in die Hand. Noch immer nicht wirklich geistig voll zurechnungsfähig, habe ich mich dann von meiner Frau anleiten lassen und ihr einen Matratzenschutz untergelegt, ein Handtuch für den Neuankömmling organisiert und selbsttätig, man lernt das in Filmen ja so gut, Wasser zugestellt. Retour im Schlafzimmer, war meine Frau gerade sehr intensiv an einer Wehe beschäftigt. Für mich war mit einem Blick klar, es wird eine der letzten Wehen im Geburtsverlauf sein, denn der dunkle Haarschopf da unten gehörte nicht zu meiner Frau. Mit diesem Gedanken endetet auch meine Nervosität und ich fand zu einer inneren Ruhe. Ich konnte mich zu meiner Frau knien und mich auf das Geschehen konzentrieren. Der Haarschopf war mit einer feinen weißlichen Haut umspannt, einer sogenannten Glückshaube, also einem Teil der Fruchtblase. Als sich der kleine Körper in einer Bewegung weiter herausgeschoben hat, ist diese Glückshaube geplatzt und der Kopf und die Schultern sind herausgeglitten. Danach konnte ich das kleine Lebewesen einfach aufnehmen und kurz betrachten, bevor ich ihn auf den Bauch meiner Frau gelegt habe. Es war unser dritter Sohn.
Nach keinen zehn Minuten im Kinderzimmerexil wurde den Brüdern und der Schwiegermutter der neue Erdenbürger vorgestellt. Es war sehr schön und bewegend, die beiden älteren Brüder bei der Begrüßung ihres Bruders zu beobachten. Mir war jedoch etwas übel und ich hatte das dringende Bedürfnis nach frischer Luft.
Im Nachhinein kann ich sagen, dass die gesamte Schwangerschaft und auch die Geburt ganz dem Charakter meines Jüngsten entsprechen. Er war der, der einfach da sein will, von Anfang an. Er ist derjenige, der sich unter seinen Brüdern immer am wohlsten fühlte – kein Wunder, dass er mit seiner Geburt auf die Anwesenheit seiner Brüder gewartet hat. Er ist auch derjenige, der zielstrebig umsetzt – ganz wie bei seiner Geburt. Mich verbindet es im Besonderen, dass ich der erste sein durfte, der ihn berührt hat.
Peter Pimann ist Referent bei der Katholischen Männerbewegung in Linz und hat sich dankenswerterweise bereit erklärt seine ungewöhnliche Geburtserfahrung mit uns zu teilen.