e&f: Sind Handy und WhatsApp heute die neuen Babysitter?
Eder-Janca: Es wird zunehmend zum Problem. Im Grund hören wir die ersten Probleme schon aus dem Kinderwagen: Da ist das Handy zwar noch nicht der Babysitter, aber die Eltern haben dadurch weniger Kontakt mit ihren Kindern und diese werden verwirrt: Viele Eltern sind mit Handy und Kinderwagen unterwegs, telefonieren und sind aber gleichzeitig mit dem Kind im Augenkontakt. Dadurch passt die Mimik nicht mehr mit der Botschaft, die sie eigentlich übermitteln wollen, zusammen – und das kann für das Baby verwirrend sein. Was ich bei Kindern in Workshops merke: Es fehlt zunehmend der persönliche Kontakt. Sie haben enormen Redebedarf!
e&f: Wie sieht es bei Kleinkindern aus?
Eder-Janca: Kinder werden schon sehr oft vor diese Geräte abgeschoben, weil es für Eltern eine scheinbar leichte Lösung ist. Bei Familienfeiern hat sich das Verständnis insofern gewandelt: Wenn Kinder herumlaufen, sind sie die „Schlimmen“; jene vor dem Tablet werden oft dafür gelobt, dass sie so ruhig sitzen können. Ich beobachte auch, dass die Kinder gerne mehr reden würden. Stattdessen sitzen viele unkommentiert und unbegleitet vor TV, Tablet und Handy. Sie sind total fasziniert, aber es fehlt ihnen die Möglichkeit, das Gesehene gezielt zu verarbeiten, zu reflektieren und sich auszutauschen.
e&f: Wirkt sich der Umgang mit diesen Medien auch auf das Gehirn der Kinder aus?
Eder-Janca: Ja, denn sie befinden sich in der so genannten „Sensomotorischen Phase“ und sind extrem empfänglich für visuelle und akustische Reize. Medieninhalte überfordern in der Zeit meist mehr als sie nützen. Die Inhalte der Medien werden immer schneller. Ganz junge Kinder haben rein gehirntechnisch gar nicht erst die Chance so schnellen Bildern zu folgen - die Schnitte können oft erst Kinder mit 11 oder 12 Jahren richtig realisieren. Wir haben dann so eine Art Stroboskopeffekt, der sogar gefährlich werden kann: So musste in Japan eine Kinopremiere abgebrochen werden, weil die Kinder über Übelkeit und Kopfschmerzen klagten. Es gab auch Fälle von epileptischen Anfällen, ausgelöst durch eben diesen Stroboskopeffekt.
e&f: Handy und Co gehören zum Alltag. Wie können sie sinnvoll genutzt werden?
Eder-Janca: Es gibt auch super Sachen wie die ersten Memorys. Elektronische Spiele sollten aber immer gemeinsam mit den Eltern gespielt werden; aber erst, wenn die Kinder das echte Spiel schon kennen. Größere Kinder können dann auch das Handy selbst entdecken indem man sie fotografieren lässt. Ich empfehle auch, im Kindergarten ganz einfach mit einem Fotomemory zu starten. Die Kinder fotografieren sich gegenseitig und daraus wird dann mit den echten Bildern ein reales Memory gebastelt.
e&f: Damit stärke ich schon die Medienkompetenz der Kinder?
Eder-Janca: Genau. Toll nutzbar sind verschiedene Apps wie „Stopp Motion“. Da kann ich Lego- oder Playmobilfilme ganz einfach selbst produzieren. Oder mit der Videofunktion des Handys mit dem Kind einen Zaubertrick erfinden, etwa voher ist das Kind da, dann spricht es einen Zauberspruch und in der nächsten Aufnahme ist es weg.. Es gibt viele Ideen. Das Faszinierende für mich ist dann, dass Kinder danach ihre Lieblingsserien ganz anders ansehen und dann verstehen, wie manche Effekte gemacht werden. Dadurch werden sie auch erfahrungsgemäß für Manipulationen wesentlich resistenter. Wichtig ist ins Tun zu kommen und nicht nur zu konsumieren.
e&f: Ab wann kann sich ein Kind mit dem Handy beschäftigen?
Eder-Janca: Sinn macht es ganz langsam ab drei Jahren gemeinsam anzufangen. Zum ersten eigenen Smartphone rate ich rund um das zweite Semester in der vierten Klasse Volksschule. So können die Sommerferien gut genutzt werden, um sich daran zu gewöhnen und gemeinsam Regeln dafür zu erarbeiten. Ansonsten ist es sinnvoll, es von der Familiensituation abhängig zu machen. Für viele Eltern ist es eine Sicherheit zu wissen, dass ihr Kind sie notfalls erreichen kann (z.b. bei der Busfahrt).
e&f: Gibt es ein Zeitlimit? Wie viele Minuten machen in welchem Alter Sinn?
Eder-Janca: Wenn ich Kinder bewusst hineinführe, dann merke ich als Erwachsener ohnehin, ob und wann sich das Kind entsprechend seiner Konzentrationspanne wieder abwendet oder komplett „hineinkippt“. In diesem Fall muss man als Hilfestellung klare Grenzen setzen und sagen: „Das reicht jetzt!“ und Regeln festlegen. Etwa: nur einen Level zu spielen oder die Zeit begrenzen, abhängig davon, was besser zur Situation passt. Auch die Bewegung danach ist ganz wichtig. Laut Experten sollten Kinder ab drei Jahren nicht länger als eine halbe Stunde am Handy sein, Volksschüler eine Stunde und Kinder ab 11 Jahren etwas länger. Generell gilt: Eltern sollen sich auf ihr Bauchgefühl verlassen und auf die Einbettung im Alltag achten!
e&f: Wie verändert sich das Familienleben durch die Digitalisierung?
Eder-Janca: Es wird schon ein gewisser Druck nach Verfügbarkeit aufgebaut. Erfreulich ist aber, dass es bei Kindern teilweise schon eine Gegenbewegung gibt. Familien brauchen ganz bewusst Auszeiten – dessen müssen sich auch Erwachsene bewusst werden. Eine Mutter hat mich kontaktiert als das Laternenfest anstand, weil es im Jahr davor das reinste Fotoevent war und die Kinder dadurch gestresst waren. Gemeinsam mit der Mutter kamen wir zu folgender Lösung: Sie hat das Laternenfest aus der Sicht eines Kindes beschrieben und ich habe eine Text für die Eltern verfasst, den die Eltern der Kindergartenkinder dann bekommen haben. Die Kindergartenleitung hat einen Fotografen organisiert und eindrücklich darauf hingewiesen, die Handys weg zu lassen. Die Veranstaltung ging dann ohne Druck und mit ganz viel Erleben für Kinder und Eltern über die Bühne.
e&f: Gibt es aus Ihrer Sicht besorgniserregende Entwicklungen?
Eder-Janca: Was ich zunehmend mitbekomme ist, dass speziell in der Volksschule viele Kinder kein Handy, dafür aber die „Alexa“ zu Weihnachten geschenkt bekommen. Schockierend für mich war die Aussage eines Drittklässlers, der mir erzählte, sein Freund spiele nur mehr mit „Alexa“. Das „Ding“ ist ständig online, macht das, was man will und überwacht dazu laufend alle Gespräche – und so etwas als einziger Spielkamerad. Das ist für mich schon sehr bedenklich!
Elisabeth Eder-Janca ist selbständige Medienpädagogin, zertifizierte Saferinternettrainerin und leitet das Zentrum für Medienkompetenz in Brunn am Gebirge. Sie ist seit Jahren in der Fortbildung für Pädagog/innen tätig und bietet Workshops für Kinder und Jugendliche an. Bei unserer Fachtagung „Vernetzt und Verbunden“ am 5. April in Salzburg leitet sie einen Workshop zum Thema: Handy und Youtube als neue Babysitter. |
Julia Standfest, Redaktion