Die Antwort ist recht schnell: Wenn wir bei der Gegenüberstellung von Mütterlichkeit und Väterlichkeit bleiben, wird Pflege meist mit den Frauen gleichgesetzt. Wenn wir es aber dekonstruieren und zurückgehen zum menschlichen Leben und die Fragestellung abseits der beiden Geschlechter betrachten, so muss ich fragen: Was haben Menschen für Fähigkeiten und was brauchen Kinder? Dann lautet die Antwort es sind menschlichen Qualitäten und diese sollten Väter ebenfalls bringen.
Männerforscher und Psychotherapeuth Erich Lehner: "Wir brauchen ein politisches Konzept, dass uns aktive Vaterschaft ermöglicht. Es braucht Unterstützung von der Umwelt und der Gesellschaft."
Geschichte der Vaterrolle
Väter haben bislang Rollen eingenommen: Schon Sigmund Freud hat sich mit Väterlichkeit auseinandergesetzt und die väterliche Bedeutung ab dem dritten Lebensjahr bestimmt. Das geht weiter bis hin zum abwesenden Vater den Alexander Mitscherlich als ödipalen Vater geprägt hat.
Der Vater galt als wichtigste Erziehungsinstanz, er war hierarchisch der Mutter übergeordnet weil er die "Ratio" hatte, er konnte die Kinder in Religion und Moral unterweisen. Dennoch gab es zu keinen Zeiten einen "typischen" Vater sondern immer einen individuellen Zugang.
Astrid Lindgren bezeichnete kurz vor ihrem Tod 2002 als die wichtigste gesellschaftliche Umwälzung in ihrem nahezu 100jährigen Leben war, dass die Männer zu Vätern geworden seien.
Dies gab es auch früher schon, etwa am Beispiel Vorarlbergs erste aktive Väter: Die Männerhände waren zu grob für die Spinnräder, die Frauen wurden dadurch die Familienernährer und rauchten im Wirtshaus Pfeife.
Das war wirtschaftlich bedingt, heute fordern wir als Gesellschaft mehr Väterbeteiligung ein.
Väterlicher Beziehungsaufbau:
- Väter erkennen ihre Kinder blind, ohne Geruch an ihren Händchen wie die Mütter
- Das Verhalten von Vätern bei Neugeborenen gleicht dem von Frauen
- Engrossment: Gefühl von Überwältigung, Zuneigung
- Veränderung des Hormonstatus bei Vätern Neugeborener (die Prolaktin Werte bei Vätern, die iSäuglinge pflegen, steigen)
Das zeigt auch wissenschafltich: Ja, Männer können es!
Es gibt einen qualitativen Sprung, wenn Väter eine gewisse Zeit Kinder allein versorgen. Ich sage daher provokativ: „Die Frau sollte nach einem halben Jahr eine Weltreise machen, Betretungsverbot für Omas“. Dann stellt sich das ein was der Wissenschafter Kyle D. Pruett bereits 1989 beobachtete: Kompetente Versorgung des Kleinkindes innerhalb von 10 Tage.
Dieses Konzept hat auch in anderen Pflegesituationen großen Einfluss: Pflege ist nicht geschlechtsspezifisch sondern hat eine menschliche Qualität.
Was sind die Elemente positiver Vaterschaft?
- Sensitivität der Väter als eine Art Schlüsselvariable des Gelingens familiärer Beziehungen
- Überraschend deutlich erweist sich auch die Haushaltsbeteiligung der Väter als wichtige Voraussetzung (Verbessert die Bindung zum Kind, mehr als das Spielen) zumindest der Vater-Kind Beziehungen: Je mehr sich Väter im Haushalt engagieren, desto unterstützender werden sie von ihren Kindern wahrgenommen. Es geht in erster Linie um die Sorge.
Das Wesen von Väterlichkeit ist eine menschliche Qualität: Kommunikation, sensitiv, Fürsorglichkeit und fair und zeitlicher Umfang.
Wie das gestaltet wird ist höchst individuell und vom Paar abhängig.
Als Pruett seine ersten Studien gemacht hat zeigte sich nicht, dass Männer die besseren Mütter sind. Der fundamentale Wert väterlicher Präsenz ist auch kein geschlechtspezifischer, sondern jener zweier präsenter Bezugspersonen. Dies gilt auch für homosexuelle Paare: Geschlecht ist sekundär.
Zwei Bezugspersonen, Geschlecht ist sekundär
Wenn das Kind mit seinem aufgeschlagenen Knie gleichmäßig zu beiden Elternteilen kommt, ist es wahrscheinlich gleich aufgeteilt .Es geht um zwei Bezugspersonen, zwei Bindungspersonen, zwei Eltern die präsent sind. Von beiden Eltern Anstöße bekommen und von beiden Eltern versorgt und angenommen werden, davon profitiert das Kind.
Das Familienbild zurzeit: Madonna mit Kind, wo man nicht genau weiß, wo der Vater ist (sollte nicht werten). Auch lesbische Frauen können Buben mit gesunder Männlichkeit erziehen und zwei homosexuelle Männer ein Mädchen, mit gesunder Weiblichkeit, weil es um die Präsenz geht, um die beiden Bezugspersonen.
Geschlechtslernen ist kein Erziehungsprozeß. Geht nicht von Papa auf Sohn und Mama auf Tochter.
Geschlechtslernen passiert in Gruppen, die erste wichtige ist die Familie, wo die Kinder zusammen sind (Papa in Männlichkeit und Mama in Weiblichkeit sind nur ein Teil davon), gefolgt von Peer Groups, Schule, Kindergarten (Sozialisation) und das wir keine Angst haben müssen, dass der Vater fehlt. Es geht in erster Linie um das primäre Dreieck (Triangulierung): Auch wenn es die Schwangerschaft gibt als körperlichen Vorlauf der Mutter geht es von Anfang an um das primäre Dreieck – Vater, Mutter, Kind (keine Hierarchie festellbar). Der Vater kommt nicht also Dritter dazu, sondern ist von Anfang an dabei. Das minimiert auch Konflikte in der Partnerschaft. Das sind die Vorteile der Kinder die die Chance haben, bei zwei Elternteilen aufzuwachsen.
Präsente Väter entwickeln andere Männlichkeit
Präsente Väter in der Familie entwickeln auch andere Männlichkeit: Sie werden sozialer- nach außen hin und der Familie gegenüber - und haben bessere Beziehungen.
Die Vorteile von Kinder, die 2 präsente Eltern haben: Sie entwickeln mehr Empathie, soziale Kompetenz, mehr schulische Leistungsfähigkeit und mehr Problembewältigungsfähigkeit.
Fehlender Vater/ Vaterabwesenheit: Es scheint dass eine Vaterabwesenheit, die länger als 6 Monate dauert einen belastenden Faktor darstellt. Nur was ist belastend?
Das Fehlen des zweiten Elternteils, der ökonomische und psychische Stress der Alleinerzieherin, das Gefühl von Vernachlässigung.
Aber das gilt nur für intakte Familien – sollte Gewalt im Spiel sein, kann der abwesende Vater sogar ein Vorteil sein.
Alleinerziehende: Wie gelingt es in Kontakt zu bleiben?
Auch bei Alleinerziehenden geht es nicht um Präsenz oder Abwesenheit des Ex-Partners/Partnerin sondern wie es trotzdem gelingt, das der Vater mit den Kindern und der Expartnerin in Kontakt zu bleiben. Abseits der Obsorgeregelung. Wird in Österreich noch nicht so oft gelebt.
Vorbild wäre Schweden: Als Paar kann ich immer scheitern aber als Eltern sind wir lebenslang miteinander verbunden. Trennungen sollten auch zum Wohle der Kinder konstruktive bearbeitet werden. Das Sorgerecht soll aktiv gestaltet werden.
Fazit?
Aktive Vaterschaft bringt Vorteile für Kinder, Frauen, Männer, Betriebe und Gesellschaft, kann jedoch kein allein individuelles Vorhaben sein sondern ist ein gesellschaftspolitischer Auftrag. Aktive Väterschaft verbessert Beziehungen – nicht dass die Scheidungsrate gleich zurückgeht, sondern die Beziehungen dauern länger und sind besser. Erwiesenermaßen waren die Leistungsträger nicht immer jene die 15 Stunden am Tag im Betrieb sind, sondern jene die sagen: "Beruf ist wichtig, aber Familie ist mir genauso wichtig."
Die Kluft zwischen Wunsch und tatsächlicher Beteiligung, die Grenze der Veränderung ist jene Struktur, die die veränderte Vaterschaft nur soweit hinnimmt, wie sich nicht die Arbeitsmarktverfügbarkeit des Mannes betrifft. Angst vor Einkommensverlust, Angst vor Nachteilen in der Karriere wirken sich hinderlich auf die Väterbeteiligung aus. Wir brauchen ein politisches Konzept, dass uns das ermöglicht. Es braucht die Unterstützung von der Umwelt und der Gesellschaft.
Aktive Vaterschaft braucht einen Diskurs über Männlichkeit!
Lesen Sie ab nächster Woche auch den Vortrag von Raphael Bonelli: "Väter sind keine mütter. Welchen Vater braucht ein Kind?"
Redaktion, Julia Standfest