Ein Gebet ist kein Zauberspruch
Was ist beten eigentlich und warum ist es wichtig für uns Menschen?
Beten ist ein sehr vielfältiger Begriff. Vor allem in der deutschen Sprache. Gebet meint einerseits eine rituelle Handlung, die man alleine oder gemeinsam macht, aber auch „Texte“. Beten aus einer theologischen Perspektive ist immer Kommunikation und Beziehungsaufbau zu sich selbst, zu einer Gemeinschaft oder zu dem, was uns Menschen übersteigt, was größer ist als wir. Theologisch spricht man von der Transzendenz und meint damit Gott oder Göttliches. Beten ist eine Form von Gespräch und da gehört selber sprechen dazu, aber auch das Zuhören.
Gibt es einen idealen Tageszeitpunkt um mit Kindern zu beten oder ist das individuell verschieden?
Es gibt nicht den einen Tageszeitpunkt an dem gebetet werden sollte, aber es gibt durchaus Situationen, die passend sind für ein Gebet. Neben Gottesdiensten, in denen gemeinsam gebetet wird, ist es bei uns in den Gruppenstunden durchaus üblich, am Anfang mit einem Gebet oder Ritual zu starten oder wenn man auseinandergeht zu enden. Das kann auch ein Lied sein oder das Anzünden einer Kerze. Dadurch kann ein Gemeinschaftsgefühl entstehen. Oft wissen es die Kinder auch selber intuitiv, wann ein passender Zeitpunkt ist.
Können Kinder das schon kommunizieren?
Das hängt vom Kind ab und da sind die Bedürfnisse sehr unterschiedlich. Kinder sind sehr neugierig, wollen Dinge ausprobieren und haben ein intensiveres Gespür für den passenden Moment. Da sind sie sehr gute Gradmesser für uns Erwachsenen. Ein Kind, das gelernt oder beobachtet hat, dass Erwachsene beten, das kommt natürlich auch selber auf diese Idee.
Was darf oder soll man beim Beten tun? Gibt es formale Regeln?
Erlaubt ist alles was gut tut und das weiß jeder Mensch für sich selber. Wichtiger als die äußere Form ist die innere Haltung beim Beten. Gebetet werden soll nie aufgrund von äußerem Zwang oder Druck, denn dann passt die innere Haltung nicht. Für Gott macht es äußerlich keinen Unterschied ob im Liegen, Stehen, Knien oder am Kopf stehend gebetet wird. Ein Gebet im Bett, etwa als schöner Tagesabschluss, kann sehr passend sein.
Wenn Eltern am Weg Gottes zweifeln, dürfen sie das ihren Kindern mitgeben?
Kinder spüren sofort, ob etwas ehrlich ist oder nicht. Deshalb ist es notwendig als Elternteil ehrlich zu sein zu dem Kind. Es geht darum, Dinge so zu formulieren, dass sie kindgerecht sind. Es ist wichtig ehrlich zu sein, zu zeigen, dass es legitim ist, sich über den eigenen Glauben Gedanken zu machen und zu zeigen, dass es unterschiedliche Wege gibt. Es gibt ja viele Religionen oder auch nicht religiöse Menschen. Es ist wichtig, den Kindern vorzuleben, dass das Zulassen von Vielfalt möglich und wichtig ist, um miteinander eine gute Gesellschaft bilden zu können. Man kann auch von seinem persönlichen Bezug zu Gott erzählen, und es ist wertvoll, wenn das Kind unterschiedliche Perspektiven von unterschiedlichen Menschen kennenlernt. Nicht zu vergessen, das Kind bringt ja selbst auch schon etwas mit. Es ist ja ein lebendiges Wesen mit eigenen Gedanken und Überzeugungen.
Dann profitiert man eigentlich auch als Erwachsener davon oder?
Fragen, die Kinder stellen, haben ja meistens Wahrheit in sich und es lohnt sich auch für uns Erwachsene darüber nachzudenken. Im Gespräch mit Kindern lerne ich immer viel mehr als umgekehrt. Sie bringen mir bei, die Welt und meinen eigenen Glauben zu hinterfragen und daher ist es auch für uns Erwachsene so wertvoll mit Kindern zu sprechen. Kinder bringen uns immer wieder zum Wesentlichen.
Ab wann soll man die Grundgebete des Glaubens mit Kindern beten (Vater Unser, Ave Maria, apostolisches Glaubensbekenntnis)?
Das hängt individuell von den Kindern ab. Bei der Jungschar wird sehr viel frei gebetet – freie Fürbitten habe ich zum Beispiel bei Kindergruppen mit über 100 Kindern erlebt. Unter Fürbitten verstehen Kinder oft ein „Danke-Sagen“. Das ist spannend zu beobachten: Es wird fürs gute Essen, Wetter und für Menschen gedankt. Dieses Danke-Sagen lerne ich von Kindern.
Darüber hinaus gibt es auch allgemeine Gebete, die zur christlichen Kultur gehören und das kann etwas Schönes sein. Texte, die alle kennen, sind gemeinschaftsstiftend. Ein „Vater unser“ lernt ein Kind automatisch in der Kirche. Erklärungen zu den Inhalten der Texte machen immer wieder Sinn, auch bei uns Erwachsenen. Auch ich stelle mir immer wieder die Frage: Was rede ich denn da eigentlich? Wenn ich nur den Text heruntersagen würde, könnte ich ja auch ein Gedicht aufsagen. Kinder müssen aber natürlich nicht alles gleich auf einmal verstehen. Nicht zu vergessen: Gerade über religiöse Texte machen sich Menschen ja das ganze Leben immer wieder neu Gedanken.
Oft verknüpft man ein Gebet mit einem Anliegen. Aber wenn es durchs Beten nicht erfüllt wird– wie vermittelt man das Kindern?
Ein Gebet ist ja kein Zauberspruch, das sollte uns bewusst sein. Gerade in Corona-Zeiten zweifeln manche an der Allmacht Gottes. Die Frage ist nun, wie vermittle ich, was ein Gebet ist? Im Gebet geht es einerseits um die Beziehung zu mir selber, und auch um die Beziehung zu Gott, zum Beispiel um persönlich Kraft von Gott zu schöpfen. Beim Gebet für jemanden, etwa dem Fürbittgebet, betet man nicht um ein spezielles Ereignis, das geschehen soll. Ich bitte Gott einfach für diese Menschen und vertraue sie damit Gott an.
Gibt es Literatur, die Sie empfehlen, mit denen man Kindern Gebete näherbringen kann? Oft sind sie ja doch recht abstrakt und altmodisch formuliert?
Es gibt von der Katholischen Jungschar einige Behelfe, es gibt Unterstützung zur religiösen Gruppenarbeit, zu Liturgiefeiern mit Kindern und man findet auch Unterlagen auf der Homepage www.jungschar.at und viele Materialien wie man Spiritualität und Rituale mit Kindern feiern kann.
Warum profitiert man als Familie, wenn man gemeinsam betet?
Ja, es kann schon zusammenschweißen, aber dann muss es auch für die ganze Familie passen – ich denke da gerade an eine Familie mit Kindern in unterschiedlichen Altersstufen oder an Familien mit unterschiedlichen Zugängen. Wenn es nicht passt, dann zeigen oder sagen es die Kinder und müssen ernst genommen werden. Ich habe es immer als wertvoll erlebt als Kind aus dieser Vielfalt von Zugängen zu schöpfen. Wichtiger als die Frage welchen Zugang die einzelnen Menschen zur Religion haben, ist die Frage, wie man mit dieser Vielfalt umgeht – das ist das Entscheidende für Kinder. Habe ich ein Umfeld, wo es einen respektvollen Umgang mit Vielfalt gibt, kann Alles zum Vorteil für die Kinder werden.