„Wertschätzung Familienarbeit – Faire Kinderbetreuungsfinanzierung für alle“
Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete zum Nationalrat!
Der Katholische Familienverband Kärnten unterstützt die Bürgerinitiative Nr. 78 in allen genannten Punkten, möchte sie gern verstärken und zur bisher eingelangten Stellungnahme des Bundesministeriumsfür Bildung und Frauen wie folgt Stellung nehmen:
Grundlagen
Es gibt einen breiten gesellschaftlich-politischen Konsens, nachdem die auf Kinder ausgerichtete Familie Grundlage der Gesellschaft ist. Sie stellt für die meisten Österreicherinnen und Österreicher ein gesellschaftliches Leitbild dar.
Als Ort, in dem Kinder empfangen und ins Leben begleitet werden, ist sie erste Bildungseinrichtung und wesentlicher Raum gemeinschaftlicher kultureller und werteorientierter Prägung (Inkulturations- und Sozialisationsfunktion). Familiale Bindungen sind die Grundvoraussetzung für jede weitere Bildung.
Sie ist Basis und Zukunft zugleich. Ohne Kinder stagniert das Humanvermögen undgibt es keine Zukunft. Daher verdient die Familie besondere Aufmerksamkeit, Unterstützung und Solidarität.
Alle seriösen Studien der vergangenen Jahre belegen, dass bei jungen Menschen der Wunsch nach fester Beziehung/ Partnerschaft und Kindern, sprich nach Familie, ungebrochen ist.
Warum kommt es trotzdem immer seltener zur Verwirklichung dieses Wunsches?
Warum ist – im Gegensatz dazu– die Fertilitätsrate in Österreich mit 1,4eine der niedrigsten dieser Welt? Demographisch gesehen steht Österreich vor einer großen Herausforderung.
Dass Zuwanderung hier keine einfache Lösung darstellt, erleben wir alle derzeit.
Die Antwort der Politik ist seit etlichen Jahren der massive Ausbau der institutionellen Kinderbetreuung mit der Begründung, Frauen die sog. Vereinbarkeit von Erwerbsarbeit und Familienarbeit zu ermöglichen.
Unsere Fragen
Wir bitten Sie, sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete zum Nationalrat, folgende Fragen mit zu bedenken:
Was, wenn die Frauen oder Eltern die o.g. Vereinbarkeit gar nicht wollen?
Was, wenn Kinder ihre Freizeit viel lieber in der Geborgenheit der Familie als z.B.in einem Hort verbringen möchten?
Was, wenn humanwissenschaftliche Erkenntnisse belegen, dass der beste Ort für ein Baby die Familie ist und nicht etwadie Krabbelstube?
Wessen Interessen werden mit der immensen finanziellen Ungleichbehandlung von familiärer und außerfamiliärer Kinderbetreuung bedient?
Wer profitiert davon, wenn Frauen keine Wahl haben und so rasch wie möglich einer Erwerbstätigkeit nachgehen müssen?
Wer profitiert, wenn die Erziehungszeiten von Eltern, deren Kinder vor dem Jahr 2005 geboren wurden, nicht finanziell angerechnet werden?
Sind die Betreuung innerhalb und außerhalb einer Familie auch in finanzieller Hinsichtgleichwertige Modelle?
Was Eltern wünschen und Kinder brauchen
Unseres Erachtens geht eine Politik über die Bedürfnisse und Erfordernisse von Menschen hinweg, wenn Eltern nicht gefragt werden, was sie wollen. Das oft verwendete Argument der „Barcelona-Ziele“ bezüglich institutioneller Kinderbetreuungsquoten ist 1) nur eine unverbindliche Empfehlung (keine verbindliche Vorgabe!) und ist 2) ausschließlich durch arbeitsmarktpolitische Interessen begründet. Es ist illegitim und undemokratisch, damit durch Druck auf Frauen, möglichst bald nach Geburt eines Kindes eine Erwerbstätigkeit aufzunehmen, de facto eine ‚Lebensorganisationsdiktatur‘ einzuführen, die Eltern nur e i n e Möglichkeit der familiären Lebensgestaltung lässt und Wahlfreiheit verhindert. Eine Familienpolitik nach der Devise „one size fits for all“ hat zur Folge, dass eigenbetreuende Eltern finanziell erheblich benachteiligt und diskriminiert werden und von Familienarmut bedroht sind.
Abgesehen davon wird eine falsche Sache nicht richtiger, wenn man sie ständig wiederholt: das Argument, in der Kinderbetreuung käme es weniger auf die Quantität als auf die Qualität einer Beziehung an, stimmt für Kleinkinder ganz sicher nicht. Anerkannte Bindungs- und Hirnforscher wie John Bowlby, Gordon Neufeld, Gerald Hüther, Christa Meves u.v.a. haben eindrücklich belegt, dass vor allem Säuglinge und Kleinkinder auf konstante, nicht wechselnde und vertraute Beziehungen angewiesen sind („3-V Kontakte: verlässlich, verfügbar, vertraut). Kinder mit guten frühkindlichen Bindungserfahrungen sind ihren Altersgenossen in der Schulzeit nachweislich in allen kognitiven und sozialen Belangen voraus. Kinder sind Bindungswesen und keine Nestflüchter. Sie brauchen langfristig Betreuung und Pflege, individuelle Zuwendung, Zeit, Liebe und Geborgenheit. Diese kann unter optimalen Umständen im Bedarfsfall extern erfolgen. Vorrangig ist ihr Sitz jedoch immer in der eigenen Familie.
(Im Übrigen ist auch die Pubertätszeit eine intensive Phase, in denen die Präsenz der Eltern gefragt und gerechtfertigt ist. In einer Zeit, in der die modernen Medien mit ihren Angeboten nach unseren Kindern greifen und die Verunsicherungen zunehmen, soll die Familie ein Ort der Stärkung und Wertschätzung sein, der den Jugendlichen hilft, ein Ja zum Leben zu finden, an eine Zukunft zu glauben und Verantwortung zu übernehmen.)
Konsequenzen und Kosten
Folgerichtig kann es für eine Gesellschaft, die an Stabilität und Wachstum interessiert ist, nur sinnvoll und gewinnbringend sein, wenn Eltern ihre ureigenen Aufgaben selbst wahrnehmen. Es macht Sinn, Eltern - insbesondere Müttern -zu ermöglichen, ihre Kinder langfristig selbst zu betreuen, zu erziehen und zu pflegen. Sofern sie dies wollen. Zumindest muss ihnen zuerkannt werden, was einer institutionellen Kinderbetreuung zugestanden wird: gleiches Geld für alle. Jedes Kind muss gleich viel wert sein. Alles andre widerspricht dem Gleichbehandlungsprinzip. Oder wie ist es zu rechtfertigen, dass Kinderbetreuung nur dann einen monetären Wert hat, wenn es sich bei den zu betreuenden Kindern nicht um die eigenen handelt?
Eine Ganztagesbetreuung kostet pro Kind und Monat wenigstens 850 Euro und bis zu über 2000 Euro (Vollkosten, je nach Alter). Eltern wollen selbst entscheiden, wie sie ihre Kinder betreuen bzw. betreut haben wollen. Sie sind mündige Bürger und brauchen keine Bevormundung. Die Tendenz zunehmend auf Sachleistungen umsteigen zu wollen, ist entmündigend. Angemessen und richtig wäre es, die Gelder den Eltern zur Verfügung zu stellen, die dann selbst entscheiden, wie sie diese in der Betreuung einsetzen.
Beim Pflegegeld gibt es seit dessen Einführung einen Konsens, dass die monetäre Leistung die Autonomie und Wahlfreiheit des Beziehers respektiert, was auch für andere Transferzahlungen wie z.B. Pensionen und Grundsicherung gilt. Worin liegt die sachliche Begründung, dass Familien hier mit anderen Maßstäben gemessen werden?
Mehr Eltern – weniger Staat
Vordinglichste Aufgabe des Staates ist es, Rahmenbedingungen zu schaffen, in denen Eltern ihre Aufgaben wahrnehmen können. Sie brauchen Anerkennung, Wertschätzung und Stärkung ihrer Kompetenz. In der Regel gibt es keine besseren Experten für die Kinder, als die eigenen Eltern. Wer eine Wegnahme des Betreuungs-, Erziehungs- und Pflegerechtes vornimmt, muss zumindest Rechenschaft über seine Motive abgeben.
Es ist nicht Aufgabe des Staates, die Belange der Familien zu übernehmen. Laut UN-Menschenrechtskonvention hat ein Kind das Recht von seinen Eltern betreut zu werden.
Finanzielle Änderungen
Die Fertilitätsrate ist seit beinahe 50 Jahren rückläufig. Dies hat nicht nur mit dem sog. „Pillenknick“ zu tun. Vielmehr hat sich das Steuer- und Beihilfensystem in diesem Zeitraum sukzessiv dramatisch verschlechtert. Die in den 70er Jahren eingeführte Individualbesteuerung berücksichtigt nur mehr marginal wie viele Personen von einem Einkommen zu leben haben. Während die deutschen Nachbarn einen Kinderfreibetrag von 7.248 Euro anerkennen, beläuft er sich in Österreich lediglich auf 440 Euro. Auf diese Summe ist man sehr stolz und führt sie ständig vor – trat die Erhöhung doch erst in diesem Jahr in Kraft und stellt eine Verdoppelung des früheren Freibetrags von 220 Euro dar.
Wer kann ernsthaft der Meinung sein, dass ein Freibetrag von 440 Euro pro Jahr (!) den Bedarf eines Kinders abdecken kann? Für die Familien ist es eng geworden. Der Vfgh hat erkannt, dass es verfassungswidrig ist, die Belange der Kinder zu besteuern. Um dem Rechnung zu tragen wurde die Familienbeihilfe inhaltlich neu definiert in Rückzahlung von zuvor verfassungswidrig erhobener Steuer. Folgerichtig gibt es keine Beihilfe mehr, sondern nur mehr eine Rückzahlung (bestenfalls eine Sozialhilfe, die auf die Mindestsicherung angerechnet ist).
Dies sollte zumindest allen politischen Entscheidungsträgernbekannt sein.
Der in Sonntagsreden vielgerühmte angeblich hohe Status der Familienleistungen ist eine Fehlinformation: Österreichisches Steuerrecht macht so gut wie keinen Unterschied zwischen Kinderlosen und denen, die für den Unterhalt von Kindern aufkommen müssen. Der Zweck des Familienlastenausgleichsfonds ist ad absurdum geführt. Zumal – wie bereits erwähnt - es sich hier nicht mehr um Beihilfen, sondern um Steuerrückzahlung handelt und er zudem einen über 38%igen Anpassungsrückstand hat.
Armutsrisiko Kind versus Wachstum und Stabilität
Mit anderen Worten: wer heute dem Mittelstand angehört und sich für Kinder entscheidet, setzt sich und seine Familie einer akuten Armutsgefährdung aus. Vor allem, wenn er/ sie den Wunsch nach zwei, drei oder gar mehr Kindern realisiert. Denn nachdem die Belange der Kinder nicht steuerfrei gestellt sind, bedeutet es, dass Eltern privat für den Unterhalt aufzukommen haben.
(Alles in allem zusammengenommen wird eine Mindestsicherung pro Kind anerkannt in Höhe von 30% der Mindestsicherung eines Erwachsenen. Diese beträgt laut Mindestsicherungsgesetz momentan 800 Euro für die erste und 400 Euro für die zweite Person. Für die Kinder je 240 Euro und setzt sich zusammen aus Familienbeihilfe, Absetzbeträgen und/ oder ggf. Sozialhilfe.)
Da sich eine Familie mit einem durchschnittlichen Einkommen kaum mehr ernähren lässt, zwingt dies viele Eltern, beide einer Erwerbsarbeit nachzugehen. Wer fragt die Väter und Mütter, ob sie das wollen?
Mit anderen Worten: Kinder sind in Österreich zum Luxusgut für Reiche geworden.
Eine Wahl gibt es nur, wenn zwischen zwei gleichwertigen Möglichkeiten entschieden werden kann. Wenn die institutionelle Kinderbetreuung fraglos vom Staat übernommen wird, die häusliche jedoch nicht, worin besteht die vielgerühmte Wahlmöglichkeit?
Daher fordert der Katholische Familienverband gemeinsam mit den Initiatoren und Initiatorinnen der Bürgerinitiative zum Wohl des Kindes und auf Basis des Gleichheitsprinzips echte Wahlfreiheit für Eltern bei der Betreuung ihrer Kinder. Dies bedeutet Anerkennung und finanzielle Gleichbehandlung der Betreuung innerhalb und außerhalb der Familie.
Weiter fordern wir im Namen der Eltern, die tatsächliche sozial- und pensionsrechtliche Absicherung der erbrachten Erziehungszeiten in der Familie auch für Eltern, deren Kinder vor 2005 geboren wurden.
Für den Katholischen Familienverband Kärnten
Mag. Andreas Henckel von Donnersmarck, Vorsitzender
Gudrun Kattnig, Geschäftsführerin
Klagenfurt 2. Februar 2016