Johannes Hartl "Ich bin in großer Sorge, wohin unsere Gesellschaft sich entwickelt"
Anbei soll dieser Audio-Beitrag schriftlich wiedergegeben werden. Wir bedanken uns für diese Möglichkeit der Veröffentlichung.
"Der Wert des menschlichen Lebens, auch die Zerbrechlichkeit des menschlichen Lebens und auch der Wert der Kindheit wird mir von Jahr zu Jahr immer noch wichtiger.
Ich bin in großer Sorge, wohin unsere Gesellschaft sich entwickelt. Es sind die verletzlichsten und wichtigsten Lebensphasen: es sind die frühesten Monate und Jahre. Diese zu schützen und ihnen den optimalen Halt zu geben, dass Menschen gut gedeihen können, das müsste für eine Gesellschaft eine ganz, ganz hohe Priorität sein, weil es die Zukunft ist.
Ich bin in Sorge, dass wir das aus dem Blick verlieren.
Was lässt dich in Sorge kommen?
Die politische Entwicklung, die finanzielle Entwicklung, die damit einhergeht.
Kannst du das ein bisschen konkreter benennen?
Ja, es ist sehr, sehr, sehr unangesehen heute, für Kinder zu Hause zu bleiben. Die jungen Frauen, die ich kenne – meine eigene eingeschlossen, die sagt, ihr ist es eine Priorität, sie will wirklich in diesen Lebensjahren ganz für die Kinder da sein – die bekommen komische Kommentare.
Wir haben eine einseitige politische Förderung von dem Lebensmodell der Vereinbarkeit von Familie und Beruf.
Ich bin der Meinung, es ist wichtig, dass jeder die Förderung und die Freiheit haben sollte, so zu leben, wie er leben möchte. Aber Frauen, die für ihre Kinder zu Hause bleiben, werden steuerlich und von den staatlichen Bezuschussungen her benachteiligt und haben langfristig bedeutend weniger Einkommen.
Sie haben de facto - einfach, weil durch Inflation, kalte Progression und ähnliche Phänomene und Steuerlast sich das Einkommen verändert - selten nur noch die Möglichkeit, dass ein junges Paar von einem Gehalt leben kann.
Das war in der Generation meiner Eltern und erst recht meiner Großeltern, völlig anders. Da war es einfach normal, dass eine Familie mit zwei oder eher drei oder sogar vier Kindern ohne weiteres ein Haus kaufen und sogar innerhalb einer vernünftigen Zeit abbezahlen konnte, wenn ein Ernährer – in der Regel der Mann – ein normales Einkommen hatte.
Das ist das Lebensmodell von meinem Großvater und da kam eine Entspannung und Frieden ins Haus. Getrennt von der Frage, ob es besser ist, ob der Vater oder die Mutter zu Hause ist, das ist nämlich dem nachgeordnet.
Wir haben derzeit einen gesellschaftlichen Trend, der grundsätzlich beide Elternteile zum Arbeiten zwingt, und zwar Vollzeit.
Ich habe vier Kinder. Ich habe sehr, sehr, sehr viel Respekt vor der Arbeit, Kinder zu erziehen und für Kinder da zu sein. Und zu sagen, ok, wir geben das an staatliche Stellen ab…
Ich mach ein skurriles Beispiel: Meine Frau ist Erzieherin. Das heißt, ihr Job ist es, Kinder zu erziehen. Wenn sie unsere Kinder im Alter von einem halben oder einem Jahr oder zwei Jahren in die Kita gegeben hätte, dann hätte sie selber angefangen zu arbeiten und hätte andere Kinder betreut und hätte dafür ein Gehalt bekommen und den Kitaplatz für 1000 Euro im Monat hätte der Staat bezahlt. Der Effekt ist aber, dass m e i n e Kinder nicht von meiner Frau, i h r e r Mutter, betreut werden, sondern von jemand anderem und sie betreut auch andere Kinder.
Krass.
Dieses Lebensmodell wäre dem Staat einiges wert. Da geht richtig Geld rum, da werden Steuern bezahlt. Die Situation, dass unsere vier Kinder von meiner Frau, die zu Hause ist, betreut werden, kostet den Staat nichts, generiert natürlich auch keine Steuern und war für uns der viel entspanntere und bessere Weg.
Ich bin natürlich der Meinung, dass jeder Mann, jede Frau, gleich frei sein sollte in der Wahl. Aber wir haben definitiv einen gesellschaftlichen Trend, dass das zum Normalfall wird, dass wir Kinder in den ersten Lebensjahren schnell weggeben in die Obhut anderer und ich glaube, das ist ein bedrohlicher Trend.
Wo ist ein Hebel durch Steuern Gerechtigkeit hervorzurufen?
Vom generellen Zielfoto her müsste es einem Staat m i n d e s t e n s genauso recht sein, wenn ein Elternteil, wenn die Mutter z.B. – es ist ja meistens dann die Mutter -, für Kinder jahrelang zu Hause bleibt, als wenn sie arbeitet.
Ich glaube entwicklungspsychologisch, bindungstheoretisch wäre das das Beste. Ich denke stark von der Psychologie her. Ich glaube, es ist das Beste und Stabilste für Kinder. Das sollte ein Leitbild für Familienpolitik sein, das m i n d e s t e n s gleichwertig ist gegenüber von Vereinbarkeit von Familie und Beruf.
Einfach der Möglichkeit: ihr könnte einfach pausieren, du musst nicht arbeiten. Wir als Staat wollen das schützen.
Ich empfinde es als eine Ungerechtigkeit, dass Kita-Plätze – also jemand anderer betreut mein Kind – finanziell gefördert werden. Wenn eine Mutter sich entscheidet, ihr Kind selbst zu betreuen, wird es finanziell nicht gefördert. Der Kita-Platz kostet 1000 Euro, den bezahlt der Steuerzahler, den bezahlt der Staat. Wenn ich mein Kind selber betreue, fallen ja keine Kosten an und das ist m.E. eine ungleiche Förderung von einem der beiden Lebensmodelle, nämlich jenem, wo ich mein Kind in die Kita gebe."
https://www.youtube.com/watch?v=EGjFwMVe4OY&ab_channel=IDEA
Minute 38:50 bis 44:20
Ausschnitt aus: Interview-Podcast von IDEALISTEN #4: Johannes Hartl, Gebetshaus Augsburg-Gründer, 19. Mai 2021