Der Kaiser hat keine Kleider an
Der Klage zweier lesbischer Frauen, die sich "ungleich" behandelt fühlen, weil ihnen eine Samenspende zwecks Kinderwunscherfüllung in Österreich nicht erlaubt ist, wurde Recht gegeben.
Der Gesetzgeber ist aufgefordert, das Reproduktionsgesetz entsprechend anzupassen. Es widerspricht dem Gleichheitsprinzip(!), wenn lesbischen Frauen der Zugang zu künstlicher Befruchtung verwehrt ist. Dies soll geändert und künftig aus dem Mitteln des FLAF auch finanziert werden.
Wir lernen: eine Frau und eine Frau ist das gleiche wie ein Mann und eine Frau und wie ein Mann und ein Mann.
Ja, sieht denn keiner, dass der Kaiser keine Kleider anhat? Es ist mehr als bedauerlich, dass Kinder in Österreich kein Stimmrecht haben. Sie haben es nicht als geborene Kinder und sie haben es schon gar nicht als ungeborene Kinder. Sind sie also rechtlose Personen in einem Rechtsstaat? Wenn nicht, wer vertritt ihre Position?
Stellen wir uns nur für einen Moment vor, Kinder hätten das Recht sich in dieser ihre Existenz betreffenden Entscheidung zu äußern. Frage: „Kinder, wie findet ihr das? Da gibt es zwei Menschen, die einander lieben. Sie möchten euch gern ein Leben in einer geborgenen kleinen Familie ermöglichen. Ist es o.k. für euch mit zwei Mamas oder mit zwei Papas aufwachsen? Seid ihr einverstanden zu diesem Zweck gezeugt zu werden? Seid ihr einverstanden auf einen von euren biologischen Eltern - die leibliche Mama oder den leiblichen Papa - zu verzichten?“
Jedem, dem nicht der normale Hausverstand sagt, dass Kinder es bevorzugen, Ihre Eltern zu kennen und mit ihnen gemeinsam zu leben, sei empfohlen diese Frage an die Kinder seines Umfeldes zu stellen. Und - bitte sehr - hinzuhören! Menschen wollen wissen, woher sie kommen und zu wem sie gehören. Jeder Person, der der Zugang zu diesem Wissen versagt ist, leidet darunter. Viele verbringen Jahre ihres Lebens damit, ihre Identität zu finden. Nachzulesen in vielen Biografien.
Die Zufügung seelischen Leides ist nach Artikel 5 der Kinderrechte verboten. Was auch immer die Richter zu ihrem Entschluss bewogen hat - eine bewusste Vorenthaltung eines Elternteiles kann unmöglich zum Wohl des Kindes sein.
Es mutet seltsam an, dass die Klägerinnen selbst sich seit längerem über den Samenspender Gedanken machen „es wäre natürlich schön, wenn wir ihn kennen würden und wenn man weiß woher das Sperma kommt“. Warum? Während sie ihn aussuchen, dürfen die Kinder erst mit 15 Jahren Informationen über seine Identität erfahren.
Der Dekonstruktivismus treibt fatale Blüten. Was früher Schicksal war, wird zur Norm erhoben. Es ist eben nicht alles „Wurst“. Und die meisten wissen das auch. Den Entscheidungsträgern wünscht man den nötigen Mut, die Nacktheit des Kaisers zu sehen und dem geplanten Gesetz nicht zuzustimmen.
Gudrun Kattnig
Erschienen in der Kleinen Zeitung am 25. Dezember 2014