Kindeswohl statt Gegenwartslogik
Kindeswohl statt Gegenwartslogik
Die Kita-Debatte polarisiert sich / Auch in Österreich gibt es jetzt die Krippenampel
Von Jürgen Liminski
Manche lernen es nie, andere wollen nichts lernen und lieber an alten Vorurteilen festhalten oder Erkenntnisse verdrängen. Ein Beispiel für dieses diskursunfähige Verhalten bietet seit Jahren die Krippendiskussion. Die Erkenntnisse über die Risiken der Fremdbetreuung in den ersten Jahren sind Legion und viele junge Mütter spüren instinktiv, was richtig ist. Dennoch häufen sich in Politik und Medien Initiativen und Berichte über fehlende Krippenplätze und die angeblichen Wohltaten früher Fremdbetreuung für Mutter und Baby. Der Ausbau der Kitas in Deutschland gehe zu langsam voran, es fehlten, so das Statistische Bundesamt, noch 320.000 Krippenplätze. Seminare und Kurse werden veranstaltet, um die Risiken der Fremdbetreuung zu verharmlosen. Gleichzeitig will das Familienministerium die Ganztagsbetreuung auch für Grundschüler zum bundesweiten Standard machen und dafür 6,5 Milliarden Euro investieren. Ein von der Ministerin beim SPD-freundlichen Berliner Institut für Wirtschaftsforschung in Auftrag gegebenes Gutachten rechnet die volkswirtschaftliche Rendite der Ganztagsbetreuung vor: Etwa zwei Milliarden Euro pro Jahr. Das ist Geld, das vorwiegend aus der Erwerbstätigkeit der Frauen, deren Kinder in der Fremdbetreuung aufwachsen, in die Staatskassen fließt. Ein ähnliches Argument, allerdings zugunsten der Mütter, die ihre Kinder selbst erziehen, hatte vor Jahren in der Diskussion um einen Erziehungslohn keine Beachtung gefunden. Von Familienverbänden wurde damals ausgerechnet, daß die Mütter von ihrem Erziehungslohn Steuern und Sozialabgaben zahlen und so den Lohn zu einem Großteil selbst finanzieren würden. Der Staat würde außerdem die Kosten für Kitas sparen.
Die Diskussion ist polarisiert. Auf der einen Seite geht es nur um Geld und Erwerbsarbeit, das Kindeswohl interessiert kaum. Es ist eine Gegenwartslogik. Auf der anderen geht es vorrangig um das Kindeswohl, mithin auch um Erziehung (nicht nur Betreuung) und damit auch um die Zukunft. Denn Kinder verkörpern die Zukunft eines Landes. In diesem Sinn ist es nicht nur eine Handreichung für Eltern, wenn Ihnen Kenntnisse vermittelt werden, die ihr instinktives Wissen und Fühlen um das Kindeswohl bestätigen und erklären. Das geschieht mit der Kinderbetreuungsampel, die der katholische Familienverband Kärnten jetzt auch in Österreich eingeführt hat. Die sogenannte Krippenampel orientiert sich am deutschen Vorbild, das das Team der Deutschen Gesellschaft für Kinder- und jugendlichen Psychotherapie und Familientherapie um Serge K.D. Sulz, Alfred Walter und Florian Sedlacek entwickelt hat. Man kann sie bestellen unter info-ktn@familie.at . Die Krippenampel fasst wissenschaftliche Erkenntnisse zur Betreuung von Kleinkindern (0 bis 3 Jahre) in Kindertagesstätten zusammen. Sie geht auch auf die starken Unterschiede von Kindern und ihre individuellen Bedürfnisse ein. Die angeführten Standards beruhen auf Forschung und Erfahrung durch Psychologen und Betreuungspersonen. Sie sind zur Orientierung und als Entscheidungshilfe gedacht.
Zahlreiche Experten haben den Leitfaden für die Betreuung von Kleinkindern außerhalb der Familie bewertet und kommentiert. Die Philosophin von der Hochschule Heiligenkreuz, Hanna-Barbara Gerl-Falkovitz etwa meint: „Wie es einen Artenschutz für Pflanzen und Tiere gibt, sollte man auch über einen Artenschutz für Kinder nachdenken. Das Ampelmodell ist dafür eine sichtbare und vernünftige Hilfe“. Oder David Guttmann, emeritierter Professor der Universität Haifa sagt: „In den Jahren 0 bis 3 wird die Grundlage für das gesellschaftlich anerkannte Verhalten gelegt, mit dem Kinder ihr späteres Leben meistern können. Die Basis für gesellschaftlich anerkanntes Verhalten wird in der Familie gelegt. Deshalb muss der Focus auf der Stärkung der Familie liegen, anstatt in Kitas zu investieren“.
Solche Aussagen von Fachleuten werden die bedingungslosen Anhänger von Krippen und Kindergärten kaum zum Nachdenken anregen. Sie interessiert vor allem die Erwerbsideologie. Natürlich haben Familien auch Gründe, die außerhalb dieser Ideologie liegen, andere haben auch keine andere Wahl. Für sie ist die Krippenampel ein Leitfaden zur Schadensbegrenzung.