Arbeitseinsatz im Schnee
Jonas hat mit mir exklusive eineinhalb Jahre hinter sich. Es macht was mit ihm, dass ich seit ein paar Monaten kaum mehr mit ihm alleine unterwegs sein kann. Umso mehr braucht er Zuwendung, die nur für ihn gilt.
„Hey, Jonas! – bereit für Arbeit?“
„Jo!“ strahlt er mich an.
„Du brauchst deine Schneeschaufel!“ Ich weiß nicht sicher, ob Jonsi eine hat, aber es stellt sich heraus: er hat eine tolle Plastikschaufel mit ca. sechzig Zentimeter Länge. Passt perfekt!
„Willst du die Schneeschaufel AUCH noch mitnehmen zum Spazieren gehen?“ fragt meine Tochter und zieht die Augenbrauen hoch. Sie ist eh schon überrascht genug, dass ich mit den beiden tatsächlich zu Fuß im Schnee raus will (»Aber dann muss du doch Lenie immer wieder tragen und du hast keine Hand frei und Jonas hat die Schneeschaufel und … und …«). Ich kann ja bekanntlich Gedankenlesen, aber die Sorgen der fürsorglichen Mama der beiden prallen wie immer von mir ab.
„Jonas, wir marschieren jetzt zu Urli-Oma und Urli-Opa und schaufeln ihren Vorplatz und den Gehsteig frei“. Urli-Oma und -opa sind schon um die Neunzig. Meine Frau und ich sind als Eigentümer verantwortlich für deren Haus und damit auch für den Winterdienst. Passiert etwas auf dem nicht geräumten Gehsteig, sind wir beide haftbar. Also werden wir heute das Angenehme mit dem Nützlichen verbinden.
Wenn du im Winter schon mal zwei kleine Kinder angezogen hast, ist dir klar was das bedeutet
„Lenie – da muss die Hand hinein! Ja wo sind denn die Finger – ah, da kommen sie ja heraus! – super!“ Jonas wird von seiner Mama angezogen. Ich muss mich „nur“ um Lenie kümmern.
„Sodala – jetzt noch der Fuß … und der zweite Fuß … Und dann der Reißverschluss – Kopf hoch, Lenie. Hall-o-o … Lenie!“ sie blickt endlich zu mir herauf und ich kann den Reisverschluss schließen, ohne ihr Kinn einzuzwicken. Nicht auszudenken, wenn … Noch die Mütze und der Schal, dann können wir los.
„Hey noch nicht! die Fäustlinge!“ Die fürsorgliche Mama, eh klar. Fäustlinge kannst du vergessen. Damit kann man doch nicht „arbeiten“ (Schnee grabschen). Wie auch immer, jetzt sind auch die Fäustlinge an Lenie „angebracht“. Erfolgreich – die Daumen sind dort, wo sie hingehören.
Nach einer gefühlten halben Stunde sind wir endlich draußen im Schnee unterwegs. Jonas schaufelt alle paar Meter im Schnee herum – die Schneeschaufel war DIE Idee des Tages. Lenie ist großteils zu Fuß unterwegs. Dabei ist im Schnee zu stapfen für ihre 14 Monate doch eher grenzwertig. Nach einer halben Stunde haben wir es tatsächlich bis zum Haus der Urlis geschafft. Die Fäustlinge von Lenie habe ich mittlerweile in den Manteltaschen – war ja klar. Im Nu haben Jonas und ich den Schnee weggeschaufelt und sind stolz auf unser Tagwerk. Lenie haben wir eine große – Erwachsenen-Schaufel in die Hand gedrückt – die hat sie ein paar Mal beim Stiel genommen und wieder fallen lassen: Beschäftigungstherapie, solange wir Männer unseren Job erledigen mussten.
Den Heimweg schaffen wir überraschend schnell, wohl auch, weil ich Lenie jetzt immer wieder tragen muss. Als wir nach fast eineinhalb Stunden zu Hause bei mir ankommen, haben wir zwar rote Nasen und Wangen, aber die Laune ist prächtig und der Hunger ein richtig schöner. „Wir haben was geschafft!“– Hunger“. Die zwei und mich selbst dann aus den nassen Kleidern bringen, war dann schon noch eine Hürde …
Eigentlich würde ich ja gerne nur mit EINEM Enkelkind unterwegs sein
Da kann ich mich wirklich vollkommen auf Jonas oder Lenie – je nachdem – einlassen. Aber im richtigen Leben spielt’s halt nicht immer Wunschkonzert. Und der Tag im Schnee hat gezeigt: Es geht auch zu dritt ganz wunderbar. Jedenfalls wenn Jonas ein Alleinstellungsmerkmal und einen „Auftrag“ hat …