Traktor
Zuerst ein ratloser Blick, doch dann – plötzliche Eingebung – und die rechte Hand weist mit ausgetreckten Zeigefinger nach ... ja nach ... äh ... links, nein ... doch rechts. OK. Nein, doch links. War ja eigentlich klar. Ich hab‘s ja sowieso gewusst. Links geht es nämlich zum Schuppen des Hans-Bauern.
Und da drin stehen drei (!) Traktoren!
Gabriel ist mit seinen 16 Monaten mittlerweile ausreichend sicher zu Fuß unterwegs. Das Dreirad-Wagerl haben wir zum gelegentlichen Ausruhen und zur Aufbewahrung diverser Ressourcen dabei. Reiswaffeln, Wasserflasche, Taschentücher. Und Trauben oder Apfelstücke. Basics eben. Mit dem fahre ich jetzt hinter Gabriel her.
Schnell haben wir die Frontseite des Bauernhauses hinter uns gebracht. Dann um die Ecke und pfeilgerade zu auf das offene Schuppentor. Einmal war es verschlossen – oh nein! Aber glücklicher Weise ist der Hans-Bauer ein verständiger Mensch und hat unsere Enttäuschung mitbekommen. Mittlerweile lässt er am Dienstagnachmittag das Schuppentor auf Verdacht offen.
Gabriel und ich könnten ja gerade „zum Arbeiten“ vorbeikommen wollen.
Und dann betreten Gabriel und ich voller Ehrfurcht ein Paradies - ein aufgeräumter großer Wagenschuppen ist eine wahre Pracht. Es ist sauber und riecht ein bisschen nach Erde, ein bisschen nach Motoröl, ein bisschen nach Abgasen und nach Heu oder Stroh oder Mais – je nach Saison. Schließlich stehen auch drei stattliche zweiachsige grüne Anhänger da. Aber das ist noch gar nichts gegen die Traktoren.
Was für prächtige Wunderwerke der Technik.
Antoine de Saint-Exupery hat einmal (nicht auf Traktoren bezogen, sondern auf Flugzeuge) so formuliert:
„Ein Flugzeug ist erst dann perfekt, wenn man nichts mehr wegnehmen kann“.
Das ist es. Sieh dir einen Traktor an: Du siehst ihn an und verstehst, wie alles funktioniert. Und du freust dich darüber, wie schön er ist. Der Schönste von allen steht übrigens nicht beim Hans-Bauern im Schuppen, sondern in der Garage von Gabriels Papa und Opa väterlicherseits: Ein Steirer 15er. Grün lackiert mit grau lackiertem Fahrwerk. Obwohl ich es nie gelernt habe – ich sehe auf den ersten Blick, wie diese Maschine funktioniert und wie man sie bedient. Ich könnte sogar ohne Youtube-Video einen Ölwechsel machen.
Es reicht der Hausverstand. Sogar meiner.
Die Bewunderung, die Gabriel dem familieneigenen Traktor und den drei Traktoren vom Hans-Bauern entgegenbringt, ist da noch ein wenig schlichter: Mit dem Finger hinzeigen und „Brrrr“, drückt perfekt aus, worum es geht, oder? Doch sprachlich sind wir mittlerweile schon weiter:
„Auffi!“ oder „Einisetzen!“.
Eh klar – ein Traktor ist schließlich nicht nur zum Ansehen da, sondern zum „Arbeiten“. Also „auffi“ und „einisetzen“. Schnell noch kontrolliert, ob eh kein Schlüssel steckt (mein Job) und dann müssen Knöpfe gedrückt und das Lenkrad bedient werden (Gabriels Job).
„Mag nimmer!“
Ich wundere mich zwar über die kurze Ausdauer, aber das ist eben Gabriel. Ich hebe ihn vom Traktor herunter. Doch sogleich ändern sich die Prioritäten wieder:
„Auffi! … Einisetzen!“ (und Knöpfe drücken und „brrrr“ …) und dann wieder „oba“ oder „mag nimmer!“ und das Ganze noch dreimal.
Schließlich mag der Opa nimmer…
„Gabriel, komm, wir packen unsere Jause aus!“