Mittwoch-Family-Treff: eine Lektion
Jonas ist mittlerweile 5½ und seine Schwester Lenie 3¼. Wenn du Erfahrung hast mit Dreijährigen, weißt du wie hinreißend, kräfteraubend, laut … und – selbstbewusst die sein können. Das konnte ich an diesem Mittwoch in meiner Mittagspause auf neue Weise feststellen. Lese und lerne:
Kapitel „hinreißend“
Gabriel hat mich wie üblich aus meinem Arbeitszimmer abgeholt und als ich an seiner Hand ins Wohn/Esszimmer komme, finden wir Jonas und Lenie bestens gelaunt vor. Etwas verschnupft, aber keine Spur von „krank“. Zwei strahlende Gesichter, helles Lachen, herumbalgen, auf den Möbeln herumkraxeln und -springen. „OOOOpa!“ – begrüßt mich Lenie und umarmt meine Beine, schon bevor ich mich zu ihr hinunterbeugen kann.
„Lenieeee! – koooomm!“ – Jonas sieht gar nicht ein, dass ihm da grad seine Spielgefährtin abhandenkommt. Tut sie auch nicht, sondern schon ist sie wieder mit ihm auf dem Parcours von Sofa zu Sofa und Fernsehsessel unterwegs.
Kapitel „kräfteraubend/laut“
Gabriel steht noch als Zuschauer da und weiß nicht so recht, wie er sich da ins Spiel bringen kann. Am besten mal grimmig wie ein Löwe oder ein T-Rex: „Wrooooaaaahhh!“
„Schneeell, Leni, lauf davon – ein Monster verfolgt uns!“ – Jonas hat sofort den Mehrwert der Intervention von Gabriel gecheckt und die wilde Horde nimmt Fahrt auf. Und das nicht nur an Geschwindigkeit und natürlich Risiko, sondern vor allem an Lautstärke. Gebrüll, Gekreische und Lachen werden langsam grenzwertig. Außerdem geht es ganz und gar nicht zimperlich zu. Wer zu langsam unterwegs ist, muss feststellen, dass die Nachfolger einfach auf einen drauf springen. Klar, dass alle paar Minuten irgendwer von den Dreien weint oder zumindest jammert: „Der Gabriel ist mir …“ oder „Die Lenie hat mich …“.
Als es immer lauter und unfallträchtiger wird, reicht es mir und ich greife ein. Doch Lenie und Jonas haben sich in einen wahren Spielrausch hineingesteigert und ich kann sagen, was ich will – auch laut – und es kommt nicht bei ihnen an – vor allem nicht bei Lenie. Ich denke, es wird Zeit ihr eine Lektion zu erteilen. Ich packe sie – nicht grob, aber so dass sie keinen Widerstand leisten kann – und trage sie hinaus in die Küche. Jetzt wird sie richtig laut. Sie dreht vollkommen durch.
Kapitel „selbstbewusst“
Eine oder zwei Minuten halte ich sie fest und rede ihr leise zu. Sie brüllt und strampelt und windet sich und ich komme mir richtig schlecht vor, ihr derart Gewalt anzutun. Auch wenn ich sie „nur“ festhalte.
„Lenie, ich stelle dich jetzt hin – gib acht, dass du nicht hinfällst“.
Auf der Stelle ist ihr Gebrüll zu Ende und sie sieht mich ruhig an. Eine Träne rinnt über ihre Wange und ihre Mundwinkel zittern. Und dann kommt es leise und traurig und vorwurfsvoll:
„Opa, warum dürfen wir nicht springen und hüpfen und lachen und froh sein?“
Hmmm – wer hat da jetzt wem eine Lektion erteilt …